Computereinsatz
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Computereinsatz im Fernschach
Im Fernschach dürfen alle Hilfsmittel eingesetzt werden, angefangen bei Büchern, fortgesetzt über Schachdatenbanken bis hin zu Computerschachprogrammen. Den Einsatz von Computern verbinden Kritiker des modernen Fernschachs mit der Vorstellung, dass die Spielerinnen und Spieler allein dieses Werkzeug die eigenen Züge finden lassen und auf diese Weise auch ohne ausreichende eigene Spielstärke meisterlich spielen und Meisterschaften erringen. Wer dies versucht, wird aber in der Regel schnell feststellen, dass die erwarteten eigenen Erfolge ausbleiben. Der Computereinsatz im Fernschach ist der Einsatz eines Hilfsmittels, der das eigene Spiel im Streben nach Erfolg nicht ersetzen kann. Allerdings ist dieser Einsatz in weiten Teilen ein prägendes Element des Fernschachs geworden. Wer in der Lage ist, das Hilfsmittel Computer besonders effektiv einzusetzen, hat gegenüber Mitstreitern einen Vorteil. Insofern kann der Fernschachspieler beispielsweise mit dem Stabhochspringer verglichen werden, für den der Einsatz seines Hilfsmittels ebenfalls von Ausschlag gebender Bedeutung für den sportlichen Erfolg ist.
Für Spieler, die den Einsatz von Computerschachprogrammen (Engines) ablehnen, werden vom Deutschen Fernschachbund e. V. (BdF) enginefreie Turniere, also Turniere unter Engineverbot, angeboten.
Definition
Unter Computereinsatz im Fernschach fallen zwei unterschiedliche Funktionen. Einerseits können über Datenbankprogramme Partiesammlungen ausgewertet werden, um aus bereits in der Praxis aufgetretenen Zügen und Zugfolgen Rückschlüsse auf eine aktuelle Stellung zu ziehen. Andererseits können Züge von so genannten Engines neu errechnet werden. Unter dieser Funktion ermittelt der Computer selbst alle in einer Stellung erlaubten Züge und Zugfolgen und bewertet diese.
Techniken
Einsatz von Partiendatenbanken
Eröffnungsphase
Partiendatenbanken können gezielt darauf untersucht werden, ob die in einer Partie erreichte Stellung bereits früher gespielt worden ist (Eröffnungsreport). Wenn die ausgewertete Datenbank Partien in großer Zahl enthält, wird das Ergebnis für die ersten Partiezüge in der Regel jeweils viele Vorgängerpartien zeigen. Der Eröffnungsreport gibt Auskunft darüber, welche Folgezüge in den früheren Partien versucht worden sind. Folgende Angaben in der Bewertung der verschiedenen Alternativen verdienen besondere Beachtung:
- Erfolgsquoten der einzelnen Zugalternativen – hohe Erfolgsquoten sind in der Regel ein Indiz für die gute Spielbarkeit eines Zuges, niedrige Quoten deuten dem gegenüber berechtigte Zweifel an der Fortsetzung an.
- Namen der Spieler, die eine Fortsetzung gewählt haben, und deren Rating – eine von Spitzenspielern verwendete Variante verdient in der Regel Vertrauen.
- Jahre und Zeitabschnitte, in denen ein Zug gespielt wurde – aktuelle Varianten sind in der Regel mit aktuellen Partiebeispielen vertreten.
Mit zunehmendem Partiefortschritt nimmt die Zahl der auswertbaren Referenzpartien ab, sodass sich die Möglichkeiten dieser Auswertungsform entsprechend auflösen.
Kritik und Ratschläge
- Die Auswertungsergebnisse können nur so gut sein wie die Datenbank selbst. Eine zu schmale, nicht aktuelle, mit zahlreichen Dubletten durchsetzte oder hinsichtlich des Partienmaterials nicht qualifizierte Datenbank trägt die Gefahr nachteiliger Ergebnisse in sich. Sehr große Datenbanken, die über eine einfache umfangreiche Partiesammlung, z.B. über das Internet, entstanden sind, enthalten auch schlecht geführte Partien in großer Zahl, die ein Ergebnis negativ beeinflussen können. Hier ist es ratsam, die Selektionskriterien gezielt zu setzen, z.B. nach den Ratingzahlen der Spieler, nach Austragungsjahren bzw. nach den Partieergebnissen, um auf dieser Basis die Erfolgsquoten einzelner Fortsetzungen zu ermitteln.
- Eine Zug um Zug immer nur separate Auswahl durch Datenbankselektionen bleibt Stückwerk. Sie erschwert oder verhindert das Entstehen einer Partie, die sich harmonisch und nach den Fähigkeiten und Vorlieben des Spielers entwickelt. Irgendwann ist so gut wie immer Neuland erreicht und der Spieler muss seine Partie selbst fortsetzen. Liegt ihm die erreichte Stellungsform nicht, findet er in der Fortsetzung des bisher Gespielten nicht die erforderliche strategische Linie, leiden seine Erfolgsaussichten.
- Der Spieler sollte sich bei der Zugsuche über Selektion seiner Datenbank nicht auf den jeweils nächsten Zug beschränken, sondern auch die Ergebnisse für die weiteren Züge der in Betracht kommenden Varianten berücksichtigen.
- Spieler mit einem gesunden eigenen Eröffnungsrepertoire sind eher zu Auswertungen in der Lage, die im Ergebnis ihm liegende Varianten zu Tage fördern.
- Auf optimale Ergebnisse lässt der Einsatz der beiden Hilfsmittel „Einsatz von Datenbanken“ und „Einsatz von Eröffnungsbüchern“ nebeneinander hoffen. Gute und aktuelle Literatur – auf Papier oder elektronisch – verhilft zum Verstehen einer Eröffnung, die Auswertung der Datenbank unterstützt die "Feinsteuerung".
Mittelspiel und Endspiel
- Auswertung der Datenbank nach bestimmten Manövern. Diese Auswertung dient der Beantwortung der Frage, ob derartige Manöver auch in der aktuellen Stellung eine Option sind und mit welchem mutmaßlichen Erfolg Manöver umgesetzt werden können. Überprüfung von Referenzpartien zum dort realisierten Manöver unter Engineeinsatz.
- Auswertung nach bestimmten Materialverteilungen etc. unter einem gleichen Ansatz.
Einsatz von Engines
Einfache Techniken
- Daueranalyse einer Stellung – angezeigt wird nur die von der Engine als beste erkannte Fortsetzung. Der vorgeschlagene Zug wird ausgeführt.
- Daueranalyse einer Stellung, es werden mehrere Alternativen angezeigt, welche die Engine als die besten erkennt (z. B. drei Alternativen). Der auszuführende Zug wird vom Spieler aus dem Kreis der vorgeschlagenen Alternativen ausgewählt.
- Stellungsanalyse - die erreichte Partiestellung wird mit einer oder mehreren Engines auf die Haupt- und die Nebenfortsetzungen untersucht. Ausgeführt wird die von der Engine erkannte Hauptfortsetzung. Wenn nebeneinander eingesetzte Engines unterschiedliche Hauptfortsetzungen erkennen, wählt der Spieler aus deren Kreis den auszuführenden Zug aus.
- Kombination aus Daueranalyse und Stellungsanalyse - der über Verfahren der Daueranalyse gefundene Zug wird vor der Ausführung mittels einer Stellungsanalyse überprüft, so als sei er bereits zur Partiefortsetzung geworden.
- Der Spieler sucht und findet selbst einen Zug. Diesen überprüft er dann mittels Engine(s).
- Ein über die Daueranalyse ermittelter Zug wird am PC ausgeführt, (noch) nicht aber in der Partie tatsächlich umgesetzt. Die neu entstandene Stellung wird mit einer weiteren Daueranalyse überprüft. Der Vorgang wird fortgesetzt, bis der Spieler den als Partiefortsetzung gefundenen Zug aufgrund der weiteren Analyseergebnisse als tatsächlich ausführungsreif ansieht.
- Der Spieler nutzt die Programmfunktion, eine aktuelle Partiestellung beliebig oft und mit beliebig festgesetzten Bedenkzeiten je Zug weiter spielen zu lassen. Die sich dabei für Zugalternativen ergebenden statistischen Werte werden bei der Zugauswahl berücksichtigt.
- Mattsuche durch einfachen Programmeinsatz.
Qualifizierte Techniken
- Mehrmalige Daueranalyse einer Stellung unter Einsatz verschiedener Engines. Ein von allen Engines vorgeschlagener nächster Zug wird ausgeführt, bei unterschiedlichen Vorschlägen wählt der Spieler den Zug aus den Vorschlägen aus (das Prinzip entspricht dem „Drei-Hirn“ von Ingo Althöfer).
- Mehrmalige Daueranalyse mit verschiedenen Engines und Anzeige mehrerer Zugalternativen (z. B. drei Alternativen). Ausgeführt wird im Regelfall der Zug, der von allen Engines vorgeschlagen wird bzw. ein Zug aus dem Kreis der von allen Engines vorgeschlagenen Züge nach Wahl des Spielers.
- Weiterentwicklung der beschriebenen „einfachen Technik“, über eine Daueranalyse gefundene Züge zunächst nur am PC auszuführen und über eine neue Daueranalyse zu überprüfen, indem der Vorgang nacheinander mit mehreren Engines ausgeführt wird. Der als nächste Fortsetzung gefundene Zug wird ausgeführt, wenn alle Engines ihn nach der jeweiligen Fortführung als (best-) geeignet anzeigen.
- Kombination von Datenbank- und Enginenutzung – insbesondere dann, wenn eine Datenbankauswertung keine eindeutigen Ergebnisse gibt oder Zugalternativen auswirft, die neu oder vermutlich gut spielbar sind, ohne Hauptlinie zu sein. Überprüfung dieser Züge mit den schon beschriebenen Techniken und ggf. Auswahl als Partiefortsetzung.
- Ermittlung, welche Engine oder welche Engine vornehmlich der Gegner einsetzt – die nach dem letzten eigenen Zug entstandene Stellung wird mit mehreren Engines in der Daueranalyse überprüft, um festzustellen, welche Enigne(s) ggf. die vom Gegner gewählte Fortsetzung vorschlägt/vorschlagen. Dieser Vorgang setzt in der Regel ein, wenn die Theorie verlassen ist und die Datenbanken keine belastbaren Ergebnisse mehr liefern. Er wird so lange beim Eingang von Folgezügen wiederholt, bis sich entweder eine (vornehmlich) genutzte Engine herauskristallisiert oder deutlich wird, dass diese Methode im vorliegenden Fall nicht greift. Lässt sich aber eine Engine ermitteln, wird diese Kenntnis für die weitere Partie nutzbar. Im Vordergrund steht dabei, den Folgezug des Gegners auf den eigenen kommenden Zug schon zu „kennen“ und vorab – auch mit anderen Engines – überprüfen und berücksichtigen zu können, den Partieverlauf in eine gewünschte Richtung entwickeln zu können. Bisweilen können zudem von einer Engine bekannte Schwächen genutzt werden.
- Realisierung in Betracht kommender taktischer Motive, z. B. Fesselungen oder Figurenabtausch, um die Wirkung unter Engineeinsatz zu prüfen.
Anspruchsvolle Techniken
Die anspruchsvollen Techniken zeichnen sich dadurch aus, dass sie quasi zu einer Symbiose zwischen Spieler und Computer bzw. Spieler und dem Einsatz aller Hilfsmittel, auch Bücher, führen. Sie setzen ein hohes Schachverständnis voraus. Der Engineeinsatz greift auf die schon beschriebenen Techniken zurück.
- Ermittlung der strategischen Merkmale der Stellung und Festlegung der Strategie durch den Spieler, Planung der taktischen Umsetzung. Überprüfung der gefundenen taktischen Umsetzung. Überprüfung der angestrebten Brettsituation nach strategischen Grundsätzen und taktischen Möglichkeiten, so als sei diese bereits die aktuelle.
- Auswertung der Datenbank nach bestimmten Manövern. Diese Auswertung dient der Beantwortung der Frage, ob derartige Manöver auch in der aktuellen Stellung eine Option sind und mit welchem mutmaßlichen Erfolg Manöver umgesetzt werden können. Überprüfung von Referenzpartien zum dort realisierten Manöver unter Engineeinsatz.
- Manipulation der aktuellen Partiestellung, um eine vorteilhafte Analysestellung zu erhalten, die dann unter Engineeinsatz überprüft werden kann. Nach der schachlichen Einschätzung des Spielers können hierzu verzichtbare Steine entfernt oder umpositioniert/umgruppiert werden. Als Effekte treten vor allem eine Konzentration auf das Wesentliche der Partiestellung und eine Reduzierung des Rechenaufwandes ein, die zu einer Verlegung des Rechenhorizontes nach hinten führt.
- Sonderform der Entwicklung einer Analysestellung: Erreichen einer Stellung, die zwar zu viele Steine enthält, als dass sie von den Tablebases umfasst wäre, die aber potenziell in Richtung der Tablebases entwickelt werden kann.
- Entwicklung einer Gewinnstellung aus der aktuellen Stellung heraus durch deren Manipulation nach der schachlichen Einschätzung des Spielers. Rückwärts gerichtete Analyse unter Engineeinsatz, um Möglichkeiten auszuloten, die Zielstellung zu erreichen.
- Sonderform der Entwicklung einer Analysestellung: Erreichen einer Stellung, die von den Tablebases erfasst ist und den gewünschten Erfolg bringt.
- Rückwärtssuche: Diese Art der Analyse gibt es im Nachschach nicht. Auf dem Analysebrett wird beispielsweise ein Wunsch-Endspiel mit den Elementen der aktuellen Mittelspiel-Stellung aufgebaut und dann wird mit der Engine ein Weg gesucht, durch die rückwärts gerichtete Analyse (Rückwärts-Analyse) diese Stellung forciert zu erreichen.
Tablebases
Die Tablebases sind Datenbanken, in denen alle Stellungen mit (noch) sehr wenigen Figuren erfasst sind. Zu jeder dieser Stellungen ist bekannt ...
- wie sie zu bewerten ist (Sieg, Remis oder Niederlage),
- wie gut jeder mögliche Folgezug ist,
- welche optimale Zugfolge sich daraus für beide Spieler ergibt.
Die Tablebases ersetzen somit das Rechnen durch das Wissen in Stellungen, die schon berechnet sind.
Intuition, Faustregeln und positionelle Erwägungen gegenüber konkreter Variantenberechnung
Das Verhältnis von Intuition, Faustregeln und positionellen Erwägungen auf der einen und der konkreten Variantenberechnung auf der anderen Seite stimmen beim Nah- und beim Fernschach nicht überein. Beim Nahschach ist die Rolle von Intuition, der Faustregeln und der positionellen Erwägungen deutlich stärker als beim Fernschach, auch dort jedoch ist ihre Bedeutung viel höher, als von Außenstehenden oft angenommen wird. Diese sehen die konkrete Variantenberechnung über das tatsächliche Maß hinaus im Vordergrund, was heute mit dem Rechnereinsatz in Verbindung steht. Es sind jedoch drei Faktoren, die im Fernschach die konkrete Variantenberechnung begünstigen, und zwar
- die Möglichkeit der Berechnung am Brett, nicht nur im Geist,
- das komfortable Zeitkontingent und
- die Möglichkeit zum Rechnereinsatz.
Während man im Nahschach in einer Partie in einer gegebenen Stellung schon "nach Gefühl" entscheiden muss, kann man im Fernschach in gleicher Stellung noch konkret Varianten berechnen. Die Bedenk- und damit die Rechenzeit ist aber auch im Fernschach begrenzt, eine Stellung angesichts der Komplexität des Schachspiels mit allen Varianten nicht endlos berechenbar. Dies zwingt zu der Entscheidung, welche Varianten weiter verfolgt werden sollen, wie tief eine Berechnung stattfinden soll und welche Varianten aus der Betrachtung fallen können. Diese Entscheidung erfordert Intuition, die Anwendung von Faustregeln und positionelle Erwägungen. Der Erfolg im Fernschach hängt auch im Zeitalter des computergestützten Spiels sehr davon ab, inwieweit es dem Spieler gelingt,
- die richtige Richtung für die Suche nach der besten Fortsetzung zu finden,
- sich auf die Analyse der wichtigsten Varianten zu konzentrieren, um Zeit, Energie und Kapazität zu sparen.
Daher muss sich der Spieler - unter zusätzlicher Obacht auf den Rechenhorizont seiner Engine(s) - auch im Fernschach auf Verallgemeinerungen, sein Gefühl bei der Bewertung der Anfangsstellung und der Stellungen, die sich im Verlauf der Berechnungen ergeben, verlassen.
Missverständnisse und falsche Vorstellungen
Am Einsatz von Computern, besonders von Engines im Fernschach entzündet sich immer wieder Kritik. Diese wird vornehmlich von Nicht-Fernschachspielern geäußert. Dabei lässt sich oft feststellen, dass Missverständnisse und falsche Vorstellungen die negative Haltung prägen. Hierzu zählen:
- Der Einsatz von Engines ist unfair - der Einsatz von Engines ist jedoch nicht unfair, denn im Fernschach sind alle Hilfsmittel erlaubt, was natürlich für beide Spieler gilt. So wie derjenige, der ein Eröffnungsbuch zu Rate zieht, fair handelt, so handelt auch der eine Engine nutzende Spieler fair.
- Im Fernschach kann man Erfolge erringen, auch wenn man nicht (gut) Schach spielen kann, weil man einfach Enginezüge ausführen kann - im Fernschach kann man jedoch keine Erfolge erzielen, wenn man schlicht die von Engines ermittelten Züge ausführt, von sporadischen Erfolgen abgesehen.
- Im Fernschach laufen nur noch die Engines gegeneinander - abgesehen davon, dass niemand, der dies einredet, einen Beweis erbringen könnte, gibt es keine belastbaren Indizien, die für das Zutreffen der Einrede sprechen, wohl aber einige dagegen sprechende Hinweise.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich aufgrund des Engineeinsatzes im Fernschach dem Spieler eine weitere Anforderung stellt. Neben dem weiterhin für den Erfolg notwendigen fundierten Schachverständnis gewinnt die Fähigkeit, Computeranalysen zu interpretieren und zu steuern, zunehmend an Gewicht.
Die folgenden Erwägungen veranschaulichen die Gegenreden zu Missverständnissen und falschen Vorstellungen:
- Im Fernschach begrenzt der Rechenhorizont des Computers seinen Nutzen als Werkzeug. Diese Grenze wird auch über die Bewertungsfunktion deutlich. Wäre dies nicht der Fall, müsste der Rechner eine Bewertung von 1-0, 0-1 oder 1/2 statt beispielsweise +0.78 anzeigen.
- Warum springen nicht alle Stabhochspringer die gleiche Höhe, obwohl sie doch alle den gleichen Stab benutzen? Weil eben auch die menschlichen Qualitäten - genau wie beim Fernschach - eine große Rolle spielen.
- Wenn es stimmen sollte, dass Schachprogramme das objektiv bessere Schach als Menschen spielen, fragt es sich, warum man ständig in allen Eröffnungsbüchern ausschließlich von Menschen gespielte Varianten vorfindet.
- Auch in einer Fernschachpartie kann es - wenn sie nicht remis endet - nur einen Sieger geben, und einer muss verlieren. Dabei ist es völlig egal, welche Hilfsmittel beiden (!) Spielern zur Verfügung stehen.
- Die Fernpartien müssten ganz überwiegend mit einem Remis enden, wenn allein die Rechenleistung der Rechner den Ausschlag gäbe. Dies resultiert daraus, dass fast alle Fernschachspieler mit Computereinsatz spielen und über leistungsfähige Hard- und Software verfügen.
- Niemand würde von einem Autorennfahrer verlangen, dass er seinen Konkurrenten auch davonlaufen könnte.
- Worin wäre die Motivation eines Spielers zu suchen, der nur Enginezüge ausführt?
- Bei identischer Rechenzeit bzw. mit identischer Suchtiefe kommen Engines oft zu unterschiedlichen Bewertungen und Zugvorschlägen. Da oft in der Regel nur einer der vorgeschlagenen Züge optimal sein kann, muss die schlichte Übernahme eines von der Maschine vorgeschlagenen Zuges über eine Partie hinweg unzureichend sein.
Bekannte Stärken und Schwächen einzelner Engines
- Rybka gilt als stark im positionell geprägten Mittelspiel. In der Übergangsphase vom Mittelspiel zum Endspiel gilt das Programm als sehr effektiv durch eine gute Positionierung der Figuren, die sich im Endspiel auszahlt. Als Schwäche sagt man der Engine eine manchmal ungünstige Aufstellung der Türme in Turmendspielen nach (seitliche Aufstellung statt möglichst hinter gegnerischen Bauern). Weiterhin soll die sichere Aufstellung des eigenen Königs bisweilen vernachlässigt werden. Auch wird eine manchmal eigenwillige Behandlung von Bauernstrukturen vorgebracht.
- Shredder ist vor allem für sein gutes Endspiel bekannt. Auch im Mittelspiel gilt das Programm als sehr solide und schnell. Man sagt dem Programm nach, manchmal etwas vorschnell ins Endspiel überleiten zu wollen, verbunden mit einem Abtausch von Figuren. Auch soll die Stellungsbewertung extremer ausfallen als bei anderen Engines, d.h. sowohl bisweilen zu optimistisch als auch zu pessimistisch.
- Fritz gilt auch sehr solide ohne gravierende Schwächen. Allerdings sollen manchmal Probleme bei der Behandlung von Randbauern auftreten, wobei die von diesen ausgehende Gefahr vom Programm unterschätzt werden soll. Auch Fritz wird eine manchmal etwas zu optimistische wie pessimistischen Stellungsbewertung nachgesagt.
- Ob Stärke oder Schwäche hängt auch von den Vorlieben des Nutzers ab - Junior gilt als ein bedingungslos auf Initiative ausgerichtetes Programm, das zur Erreichung dieses Ziels auch schon mal zu einem Materialopfer bereit ist.
- Toga gilt als sehr solide. Als seine besondere Stärke wird seine kostenlose Verfügbarkeit genannt.
Die persönliche Note
- Spieler, die im Fernschach Erfolge feiern, ohne gleichzeitig und gleichartig erfolgreiche Nahschachspieler zu sein, sehen sich bisweilen auch einer Diskussion ausgesetzt, die offensichtlich auch Neidelemente enthält. Zum Beispiel in unterschiedlichen Wertungszahlen zum Ausdruck kommende unterschiedliche Erfolge werden oberflächlich nicht mit den grundlegenden Unterschieden zwischen diesen Schachvarianten begründet, die unterschiedliche Fähigkeiten des Spielers ansprechen. Auch bleiben Einflüsse des Umfeldes (Lärm bzw. fehlender Lärm, enge bzw. großzügige Bedenkzeit usw.) ebenso außer Betracht wie Schwerpunktsetzungen des Spielers.
- Das Fernschach ist bislang von vielen Nahschachspielern unentdeckt, sodass diese kaum auf unvoreingenommene Einschätzungen und auf eigene Erfahrungen zurückgreifen können.
- Früher gab es das weltbekannte Vorurteil, dass im Fernschach derjenige im Vorteil sei, der die meisten Bücher hat. Heute sind an die Stelle der meisten Bücher die besseren Rechner getreten. Dass gute Rechner heute für die meisten erschwinglich geworden sind, wird ebenso ignoriert wie die Tatsache, dass das früher bei Büchern nicht anders war.
Literatur
- Dworetski, Mark: Die Universität der Schachanalyse. Das Mittelspiellehrbuch für den Praktiker. New In Chess: Alkmaar, Niederlande 2009, ISBN: 978-90-5691-300-7. Zum Computereinsatz im Schach, Seite 8; zum Verhältnis von Intuition etc. und Variantenberechnung, Seite 78.