Partieverschleppung
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Partieverschleppung
Unter Partieverschleppung wird ein Verstoß gegen das Gebot der sportlichen Fairness verstanden, indem ein Spieler eine Partie offenkundig oder zuvorderst mit dem Ziel fortführt, den Partieverlust hinauszuzögern (vgl. hierzu § 1 der Spielordnung des Deutschen Fernschachbundes e.V. (BdF). Im englischen Sprachraum ist dieses Handeln unter dem Kürzel DMD bekannt (Dead Man‘s Defence – Verteidigung des toten Mannes).
Konfliktpotenzial
Da im Fernschach die Bedenkzeit in Tagen bemessen wird und für einzelne Züge nicht verbrauchte Bedenkzeit für Folgezüge eingesetzt werden kann, können sich erheblich Zeitguthaben für einen Spieler ergeben. Nutzt er dieses zum Verschleppen einer Partie, schädigt er die Interessen des Spielpartners. Dieser ist daran interessiert, den ihm gebührenden sportlichen Erfolg zu erzielen, zumal für ihn auch Rechte hiervon abhängen können (Qualifikationen für Turniere, Verleihungen von Titeln und mehr). In mehrstufigen Turnieren kann auch die Gemeinschaft der Turnierteilnehmer nachteilige Folgen dadurch erleiden, dass eine Folgerunde erst verspätet gestartet werden kann.
Definition
Die Partieverschleppung kann nur abstrakt definiert werden, eine konkrete Festlegung schließt sich aufgrund der Besonderheiten des Fernschachspiels, dessen Partien Wochen, Monate und Jahre dauern, aus (vgl. hierzu Allgemeine rechtliche Auslegungsregeln). Auch gibt es vielfältige persönliche Besonderheiten, die es mit sich bringen können, dass ein Spieler nicht kurzfristig auf den gegnerischen Zug antworten kann und mit seinem langen Schweigen keine Partieverschleppung begründet wird. Ein weiterer Unterschied macht sich an der Spielstärke des Spielers fest. Wenn er nicht erkennt, dass eine Partie für ihn eindeutig verloren ist, kann er den Ausgang auch nicht verschleppen. Fernschach wird zudem mit unterschiedlichen Interessen gespielt. Lernende Spieler widmen sich dieser Variante, um bestimmte Methoden etc. in der Praxis einer Partie zu erlernen. So müssen beispielsweise für einen 9-jährigen Schüler andere Wertmaßstäbe gelten als für einen erfahrenen Spieler.
Diese beispielhaft genannten Unterschiede in den Verhältnissen der Spieler bestätigen, dass keine einheitliche konkrete Definition für das Verschleppen von Partien denkbar ist.
Sanktionsmöglichkeiten
Der internationale Fernschachverband ICCF versucht der DMD entgegenzuwirken, indem er in Serverturnieren ab dem 20. Zug die Bedenkzeit eines Spielers um 2 Tage statt einem belastet und so Bedenkzeitguthaben schneller abschmilzt. Der Vorteil dieser Lösung liegt darin, dass sie kaum zu Umsetzungsproblemen führt, der Nachteil darin, dass sie ohne Unterschied rechtschaffene und nicht-rechtschaffene Verzögerungen gleichermaßen sanktioniert und sie das Verschleppen der Partie nicht verhindert, sondern nur mildert. Zudem kann der Spieler die Sanktion dadurch umgehen, dass er seinen Zug spätestens am 20. Tag nach dem Erhalt des gegnerischen Zuges ausführt.
Der BdF behandelt die Partieverschleppung als Verstoß gegen die sportliche Fairness. Dementsprechend sieht die Spielordnung im Rahmen des BdF-Regelwerkes Eingriffe bis hin zu Turniersperren für Spieler vor.
Jede Sanktion setzt voraus, dass eine Partieverschleppung eindeutig als solche erkannt werden kann, wenn nicht eine alle Spieler belastende Möglichkeit wie jene des Weltfernschachverbandes ICCF zum Tragen kommen soll.
Geschichtliche Aspekte
Das Verschleppen von Partien war zu jeder Zeit in der Geschichte des Fernschachs möglich. Bevor neue Medien für Transparenz sorgten und zudem die Möglichkeit eröffneten, darüber öffentlich zu diskutieren, fand das Thema allerdings kein öffentliches Interesse.
Fallzahlen
Es gibt keine Möglichkeit, die Zahl tatsächlicher stattfindender Partieverschleppungen festzustellen. Dies liegt daran, dass
- nicht jeder hohe Bedenkzeitverbrauch auf ein Verschleppen der Partie zurückgeht,
- von einem Verschleppen des Gegners betroffene Spieler sich nicht immer melden,
- in internationalen Turniere ein Verschleppen wegen des Abschmelzens eines Bedenkzeitverbrauchs (siehe oben) hingenommen wird
- sich nicht alle Spieler betroffen fühlen, wenn der Spielpartner die Partie verschleppt.
Die geringe Zahl von Einzelfällen, in denen offenkundige Partieverschleppungen bekannt oder turnierrechtlich vorgebracht werden, lässt aber annehmen, dass der Problematik keine bemerkenswerte Bedeutung zukommt. Das ändert nichts daran, dass sich ein tatsächlich von einer gegnerischen Partieverschleppung betroffener Spieler sehr beeinträchtigt fühlt und einzelne Spieler mehr als andere im Verdacht stehen, sich eine solche Unsportlichkeit zu Schulden kommen zu lassen.